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Der Weg der Fahrgastinformation

Betrieb

Automatisierung: Fluch oder Segen?

Leiter Telematik
Markus Garschhammer ist Leiter Telematik und Datenmanagement bei der BRB (Foto: BRB).

Markus Garschhammer ist Leiter Telematik und Datenmanagement bei der BRB. Eine seiner Aufgaben ist es, die Prozesse bei der BRB zu optimieren, sodass der Fahrgast möglichst schnell, umfassend und richtig über alles informiert wird, im Regelbetrieb, bei lange im Voraus geplanten Baustellen, aber auch bei kurzfristigen Störungen. Eine ziemliche Herausforderung. Den Weg der Fahrgastinformation vom Eingang der Erst-Information bei der BRB bis auf die Webseite, App oder Monitore in den Zügen und Stationen sowie was alles dazwischen abläuft, erläutert er.

Informationen
Fahrgäste am Bahnsteig haben den verständlichen Wunsch nach verlässlichen Informationen (Foto: BRB).

Frage: Was sind denn so die Beschwerden der Fahrgäste, die immer wieder vorkommen?

Markus Garschhammer: Die Anzeige am Bahnsteig zeigt falsche oder zu wenig Informationen. Das Gleis für die Abfahrt wird öfter gewechselt und keiner weiß, wo dann tatsächlich der Zug abfährt, was zu hektischem Hin und Her führt. Es gibt keine verlässlichen Informationen, wann der Zug bei einer Störung weiterfährt. Der Fahrgast will pünktlich von A nach B kommen und will genaue Informationen, ob das klappt oder nicht. Und er erwartet einen Zeithorizont, wann es weitergeht. Doch so ganz einfach sind diese Antworten nicht immer zu geben.

Frage: Fahrgastinformation durchläuft mehrere Stationen, ist das ein bisschen so wie die gute alte Flüsterpost, wo am Ende nicht das rauskommt, was dem Ersten ins Ohr geflüstert worden ist?

Markus Garschhammer: Netter Vergleich. Wir selbst können nur die Fahrgastinformation innerhalb unserer Fahrzeuge aufbereiten, so wie wir sie weitergeben wollen, alle anderen Systeme, die es gibt, gehören uns nicht, dorthin liefern wir unsere Informationen so aufbereitet, wie es diese Systeme vorgeben und verarbeiten können. Einfluss darauf und auch ob und wie sie dargestellt werden haben wir nicht. Sie gehören dem Infrastrukturbetreiber, in der Regel ist das zum Beispiel bei den Anzeigetafeln in den Bahnhöfen DB Station&Service. Dazu kommen die Internetportale diverser Anbieter. Alle arbeiten vollautomatisch, das heißt, dass kein Mensch mehr eingreift und das auch gar nicht mehr möglich wäre. Wir füttern diese Systeme und bei den Regelfahrplänen ist das auch kein Problem. Schwierig wird es bei kurzfristig angesetzten Baustellen, bei Unfällen, Personen im Gleis und ähnlichen, nicht lange vorhersehbaren und planbaren Ereignissen.

Betriebsplanung
In der Fachabteilung Betriebsplanung werden auch kurzfristig Ersatzfahrpläne erstellt (Foto: Tom Schulze).

Frage: Wie läuft Fahrgastinformation ab?

Markus Garschhammer: Werden uns Baustellen von der DB Netz AG, die für die Schieneninfrastruktur zuständig ist, gemeldet, beginnen meine Kolleg*innen in der Betriebsplanung, einen Fahrplan drumherum zu bauen. Muss man vielleicht umsteigen, um an der Baustelle weiterzukommen? Muss man mit einem Bus einen Teil der Strecke zurücklegen, weil zum Beispiel nachts gebaut wird und die Strecke währenddessen gesperrt ist? Gibt es bei kurzfristig anberaumten Bauarbeiten mit Streckensperrungen oder dem Ausfall einzelner Züge überhaupt Busse, die man einsetzen könnte? Zu Schulzeiten haben auch die Busunternehmen all ihre Fahrzeuge morgens und mittags auf der Straße, da sieht es mit Schienenersatzverkehr schlecht aus. Je kurzfristiger eine Änderung hereinkommt, desto fehleranfälliger ist das System. Unter Zeitdruck passieren eben Fehler, das kennt jeder auch von sich selbst.

Wir selbst können nur die Fahrgastinformation innerhalb unserer Fahrzeuge aufbereiten, so wie wir sie weitergeben wollen, alle anderen Systeme, die es gibt, gehören uns nicht, dorthin liefern wir unsere Informationen so aufbereitet, wie es diese Systeme vorgeben und verarbeiten können.
Markus Garschhammer, Leiter Telematik und Datenmanagement bei der BRB

Frage: Sogar europaweit wird auf die Fahrpläne länderübergreifend zurückgegriffen, das ist sicher auch nicht ganz einfach, oder?

Markus Garschhammer: Wenn ich beispielsweise von Paris oder einfach auch von Salzburg aus, das sogar noch in unserem Streckennetz liegt, nach Berchtesgaden will, kann ich mir praktischerweise in Frankreich oder Österreich eine Verbindung dafür heraussuchen, weil eine europaweite Vernetzung der Auskunftssysteme besteht. Das Problem dabei ist, dass Aktualisierungen nicht ständig möglich sind, sondern nur zweimal pro Woche. Das gilt auch für innerdeutsche Systeme. Und bis die Aktualisierung dann im System verarbeitet wurde, vergehen nochmal zwei Tage. Wenn dann noch ein Feiertag dazwischenkommt, kann man sich vorstellen, wie lange eine Information im schlimmsten Fall brauchen kann, bis sie beim Fahrgast ist. Und der steht am Bahnsteig und ärgert sich über die Anzeigetafel, die einen Zug anzeigt, der nicht kommen wird, einen Zug anzeigt, der von einem anderen Gleis abfährt und so weiter. Und du stehst als BRB machtlos daneben, siehst den Fehler und kannst ihn nicht mehr korrigieren.

BRB-Streckeninfo
Mit unserer BRB-Streckeninfo informieren wir zu Störungen und Baustellen in den fünf Netzen.

Frage: Der Fahrgast informiert sich heutzutage gerne über Apps und Webseiten. Lohnt es sich eigentlich, verschiedene Informationsmöglichkeiten auszuprobieren?

Markus Garschhammer: Über Facebook und unsere App informieren wir über die kurzfristigen Änderungen, das ist die schnellste Möglichkeit, wir haben auch einzelne Baustellen-Newsletter für unsere fünf Netze, die der Fahrgast abonnieren kann und im Bedarfsfall bekommt er so auch schnelle Infos für seine Reiseplanung, wenn kurzfristige Störungen auftreten.

Frage: Warum ist es bei Verspätungen oder gar im stehenden Zug irgendwo auf der Strecke nicht möglich, vorherzusagen, wann der Zug weiterfahren kann, wie groß die Verspätung sein wird?

Markus Garschhammer: Weil der Grund nicht immer sofort klar ist. Wenn der Zug auf freier Strecke stehen bleibt, kann das viele Gründe haben. Er muss einen anderen Zug vorbeilassen, er ist nach einem Sturm gegen einen Baum gefahren, der auf den Gleisen liegt, er wartet auf die Freigabe des nächsten Streckenabschnitts. Das sind alles Beispiele. Die Prognose, wie lange die Sperrung dauert, ist da nicht leicht. Befinden sich Personen im Gleisbereich, muss so lange gewartet werden, bis die Bundespolizei die Strecke wieder freigibt, sich sicher ist, dass keine Unbefugten mehr im Gleisbereich unterwegs sind. Da geht es schließlich um Menschenleben. Da können Sie nichts planen und prognostizieren. Natürlich versucht der Triebfahrzeugführer oder die Triebfahrzeugführerin in solchen Fällen beim Fahrdienstleiter, der den Überblick über das Geschehen auf der Strecke und im Bahnhof hat, Informationen zu bekommen, aber der hat dann auch alle Hände voll zu tun, seinen Job zu erfüllen, er muss zuallererst für einen sicheren Betrieb sorgen. Und es ruft ja nicht nur ein Triebfahrzeugführer an, wenn es sich um eine Großstörung handelt. Außerdem sind alle unsere Strecken so voll, dass sich kleine Verspätungen immer weiter zu großen aufbauen, weil einfach keine Luft mehr zum Aufholen da ist und sich bei eingleisigen Strecken Verspätungen auch auf die Gegenrichtungen auswirken, wenn die Züge warten müssen, bis der jeweilige aus der anderen Richtung den eingleisigen Abschnitt verlassen hat.

Lautsprecherdurchsage
Nur in seltenen Fällen wird noch manuell eine Lautsprecherdurchsage getätigt (Foto: Syrian Gropius).

Frage: Wie ist es mit den Durchsagen, dahinter stecken doch Menschen und keine Automaten?

Markus Garschhammer: Damit alles immer gut verständlich ist, haben wir den größten Teil, also die Ansage der jeweils nächsten Haltestelle und des Zuglaufs automatisiert. Wir machen nur die Durchsagen innerhalb unserer Züge, draußen ist der Stationseigner verantwortlich, meist die DB Station&Service. Auch dort geht alles vollautomatisch auf Basis der Daten, die eingepflegt werden. Wenn es in München heißt „Auf Gleis xy fährt ein der Zug von Rosenheim nach München…“ und der steht kurz vor dem Bahnhof, dann ist auch diese Ansage nicht mehr zu ändern, auch wenn der Fahrgast am Bahnsteig sieht, dass da gerade kein Zug einfährt. Das ist der Nachteil der Automatisierung. Deshalb kommt es manchmal auch vor, dass an den Zuganzeigen am Bahnsteig ein Zug auftaucht, der dann nicht kommt und ganz plötzlich verschwindet die Anzeige nach ein paar Minuten, obwohl am Gleis kein Zug kam oder abfuhr. Das ist ebenfalls der Automatik geschuldet.

Frage: Aber auch die BRB hat automatische Durchsagen im Zug, muss da jemand immer aufs Knöpfchen drücken?

Markus Garschhammer: Nein, auch das funktioniert automatisch, indem der Zug ähnlich wie beim Navigationssystem seine GPS-Position auswertet. Das merkt man dann, wenn einem bei einem Gleiswechsel im Bahnhof der Ausstieg auf der falschen Seite angesagt wird und dann der Triebfahrzeugführer die richtige Ausstiegsseite über die Sprechanlage mitteilt oder er per Hand die automatische Ansage beeinflusst.

Frage: In der Betriebsleitzentrale wird im Störungsfall koordiniert, was dann nicht mehr automatisch funktioniert, sondern von Menschen beeinflusst und gemanagt werden muss. Da sitzen diejenigen, die innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen müssen. Wie schafft man es, da den Überblick zu behalten?

Markus Garschhammer: Da ziehe ich den Hut vor den Kollegen, die in Sekundenschnelle entscheiden müssen. Und oberste Priorität hat natürlich immer die Eisenbahnsicherheit. Prognosen sind bei großen Störungen manchmal unmöglich, noch dazu, wenn die Störung nicht nur uns berührt, verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen involviert sind oder eine größere Region betroffen ist. Unsere Kommunikationsmanager versuchen dann kurzfristig durch Eingaben per Hand Informationen an den Fahrgast weiterzugeben, aber solange die Lage unklar ist, gibt es eben keine validen Informationen. Das kann man auch mit einem Stau auf der Autobahn vergleichen. Der Verkehrsfunk braucht auch seine Zeit, bis die Information weitergegeben wird und manchmal ist der Stau schon weg und wird noch immer über die Radiosender angesagt.

Infrastruktur
Viele Dinge gibt es auch im laufenden Betrieb sowie im Hinblick auf die Infrastruktur zu beachten (Foto: BRB).

Frage: Baustellen und alte, marode Infrastruktur führen immer wieder zu Verspätungen, was kommt noch dazu?

Markus Garschhammer: Langsamfahrstellen mit 20 km/h, Gleisverwerfungen, Grenzkontrollen der Bundespolizei im stehenden Zug, das summiert sich alles zu hohen Verspätungen auf und die können leider oft nicht mehr aufgeholt werden.

Frage: Es gibt auch kleine Kuriositäten, erzählen Sie mal.

Markus Garschhammer: Wenn wegen einer Baustelle zum Beispiel der Münchner Hauptbahnhof nicht angefahren werden kann und stattdessen ab München Ost die S-Bahn genommen werden muss, steht auf der Zuganzeige trotzdem als Ziel „München Hauptbahnhof“. Das ist eine Vorgabe der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die den Schienenpersonennahverkehr im Auftrag des Freistaats Bayern plant, finanziert und kontrolliert. Es soll das Ziel auf dem Zug stehen, dass der Fahrgast theoretisch erreichen könnte. Pendler denken sich, dass die BRB ihren eigenen Fahrplan nicht kennt, für internationale Urlauber ist es genau richtig, denn die kennen nur den Münchner Hauptbahnhof und wissen, dass die Richtung zumindest stimmt.

Frage: Diverse Schnittstellen machen alles schwieriger, stimmt das?

Markus Garschhammer: Absolut. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen füttern die Systeme und an den technischen Schnittstellen passieren dann Fehler, so wie beim Kopieren von Dateien in ein anderes Format, die dann plötzlich ganz anders aussehen. Das kennt sicher jeder. Oder noch einfacher: Man reist ins Ausland und der Stecker passt nicht in die Steckdose. Wir justieren immer wieder nach, versuchen alles zu optimieren, aber immer wieder stellen wir fest, dass noch nachgebessert werden kann. Damit wird man leider nie fertig.

Informationsquellen für alle Infos rund um die Fahrgastinformation:

Facebook

www.brb.de (Baumaßnahmen und Newsletteranmeldung auf der Startseite)

Und hier kann man genauer nachlesen, was ein Infodisponent/Kommunikationsmanager bei der BRB macht.