BRB-Geschäftsführer Arnulf Schuchmann ist ein international anerkannter Eisenbahn- und Verkehrsexperte. Sein Wort hat in der Branche Gewicht und er redet gerne Klartext. Dies tut er auch in diesem Rückblick auf das Jahr 2024.
Die Kosten steigen nicht nur in Privathaushalten, sondern auch im Bahnbereich. Davon bleibt die BRB ebenfalls nicht verschont, oder?
Arnulf Schuchmann: Ja, und das ist nicht nur für die BRB, sondern inzwischen für viele, wenn nicht alle Eisenbahnverkehrsunternehmen ein immer größeres Problem. Die Lage ist dramatisch. Einerseits steigen die Kosten für Personal, Material und Energie, andererseits müssen wir Eisenbahnverkehrsunternehmen Strafzahlungen für Verspätungen und Zugausfälle auch dann tragen, wenn der Grund zum Beispiel marode Infrastruktur ist und somit das Verschulden bei der DB InfraGO AG liegt und nicht bei uns. Dazu kommen noch die Kosten für Schienenersatzverkehr mit Bussen und Taxis. Diese Kosten werden der BRB zwar vom Freistaat erstattet, allerdings wurde die Höhe vor Jahren ausgehandelt, als die Kosten noch deutlich niedriger waren als heute. Nachgebessert wurde nie. Hinzu kommt, dass inzwischen viel mehr Baustellen und Störungen der Infrastruktur auch viel mehr Schienenersatzverkehr erforderlich machen als ehemals angenommen.
Können Sie uns noch ein Beispiel nennen, um die Kostensteigerung zu veranschaulichen?
Arnulf Schuchmann: Im Netz Oberland sind wir rein rechnerisch zu Beginn des aktuell noch geltenden Verkehrsdurchführungsvertrages davon ausgegangen, dass jeder 300-ste Zug ausfallen wird. In der Zwischenzeit fällt etwa jeder zwanzigste Zug aus. Bezahlt bekommt die BRB allerdings nur Züge, die auch fahren. Wer den Zugausfall verursacht hat, spielt keine Rolle. Zug fährt nicht und wir bekommen kein Geld. Und zusätzlich haben wir die Kosten für die Busse zu tragen.
Das Deutschland-Ticket ist für die Fahrgäste eine tolle Sache, aber verliert die BRB damit nicht Einnahmen?
Arnulf Schuchmann: Seit der Einführung des Deutschland-Tickets sinken die direkten Einnahmen aus dem Ticketverkauf, obwohl gleichzeitig die Fahrgastzahlen in den BRB-Zügen insgesamt deutlich und teilweise sogar drastisch gestiegen sind. Damit erhöhen sich auch die Kosten, zum Beispiel für die Zugreinigung. Die Ausgleichszahlungen berücksichtigen solche Entwicklungen im laufenden Verkehrsdurchführungsvertrag nicht. Nötig wäre eine Planungssicherheit mit finanziellen Anpassungsmöglichkeiten, statt dem Hin und Her zwischen Bund und Ländern.
Gibt es auch Positives zu berichten?
Arnulf Schuchmann: Selbstverständlich! Wir haben als erstes Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland WhatsApp zur Fahrgastinformation eingeführt. Für jedes unserer Netze gibt es einen eigenen Abo-Kanal auf WhatsApp. Auffällig ist, dass seit der Einführung Mitte November die Fahrtgastbeschwerden signifikant nach unten gegangen sind. Umfangreiche und zuggenaue Informationen in Echtzeit, bei Lageänderung blitzschnelle Aktualisierung, das zahlt sich aus und die Fahrgäste haben mehr Verständnis, wenn sie den Grund für Verzögerungen kennen. In den Netzen Oberland und Chiemgau-Inntal haben wir jeweils schon über eintausend Abonnent*innen.
Für jedes unserer Netze gibt es einen eigenen Abo-Kanal auf WhatsApp. Auffällig ist, dass seit der Einführung Mitte November die Fahrtgastbeschwerden signifikant nach unten gegangen sind.
Auch bei der Mitarbeitendensuche hat sich einiges getan, es gibt eine neue Webseite der BRB?
Arnulf Schuchmann: Ja, sie heißt „Bock auf Lok“ und es lohnt sich, die Seite einmal anzuschauen. Ohne ausreichend Personal ist ein reibungsloser Bahnbetrieb nicht möglich. Modern, sympathisch und teamorientiert präsentieren wir uns auf „Bock auf Lok” als Bayerns zweitgrößtes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit insgesamt rund 860 Mitarbeitenden. Hier finden Jobsuchende alle wichtigen Informationen und noch vieles mehr, was ihnen den Einstieg bei der BRB ermöglichen kann.
Zum Rückblick gehört natürlich auch die MVV-Erweiterung, die noch nicht zu Ende ist. In welche Regionen hat sich der MVV ausgedehnt?
Arnulf Schuchmann: Vor einem Jahr schlossen sich die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach, Rosenheim und die Stadt Rosenheim dem MVV an. All diese Regionen liegen in unserem Streckennetz. Seit 1. Januar 2025 sind auch die Landkreise Landsberg am Lech und Weilheim-Schongau neue Partner im MVV und auch dort sind wir mit unseren Zügen unterwegs. Egal, welches öffentliche Verkehrsmittel Fahrgäste nutzen, es wird nur ein Fahrschein benötigt – eine große Erleichterung.
Die BRB führt jedes Jahr Aktionen durch. „Zug hat Vorfahrt“ fand 2024 auch wieder statt, mit welchem Schwerpunkt dieses Mal?
Arnulf Schuchmann: Was uns jedes Jahr von Neuem Sorgen macht, sind die Unachtsamkeit und Ignoranz, mit der zu Fuß Gehende sowie Fahrrad- und Autofahrende Gleise an Bahnübergängen, auf freier Strecke und in Bahnhöfen überqueren. Beinahe täglich kommt es dabei zu gefährlichen Situationen und Triebfahrzeugführende können Unfälle oftmals erst in letzter Sekunde durch eine Schnellbremsung verhindern – manchmal auch nicht. 2024 war eine Schulklasse hautnah dabei, als im Netz Berchtesgaden-Ruhpolding ein BRB-Zug eine Schnellbremsung demonstrierte und sich die meisten der Schülerinnen und Schüler beim Bremsweg deutlich verschätzten, weil sie glaubten, der Bremsweg sei bei einem Zug ähnlich kurz wie bei einem Auto. Das Netz hat eine auffällig hohe Zahl an Bahnübergangsunfällen und Beinaheunfällen zu verzeichnen, deshalb wollten insbesondere wir auf die Gefahren aufmerksam machen. Der Aufwand für solche Aktionen ist enorm, doch wenn damit auch nur ein Menschenleben gerettet werden kann, hat er sich bereits gelohnt.
Die BRB beschäftigt Menschen mit vielen verschiedenen Nationalitäten und bietet damit eine Chance auf Arbeit und Integration.
Arnulf Schuchmann: Das ist uns ganz wichtig, wir beurteilen niemanden nach Hautfarbe, Religion oder ähnlichem. Es geht rein um den Menschen und seine Fähigkeiten, die er mitbringen muss, um bei uns Arbeit bekommen zu können. Das war auch der Anstoß für ein Projekt mit dem Titel „Next Stop: Dream Job“. Angesprochen wurden Mitbürgerinnen und Mitbürger mit ausländischen Wurzeln, denen auf einer Zugfahrt zwischen Augsburg und Ingolstadt das Bahnfahren nähergebracht und zugleich auch die Jobmöglichkeiten bei der BRB aufgezeigt wurden.
Ein anderes, besonderes Projekt war übrigens der „KidsExpress“. Da schlüpften Kinder in die Rolle eines Kundenbetreuenden und erfuhren viele interessante Details rund um das Zugfahren. Der Zug ist gerade für Kinder ein Erlebnis, weil im Alltag oft das Auto genutzt wird.
Derzeit läuft wieder eine Ausschreibung, es geht um das Netz Chiemgau-Inntal. Können Sie dazu schon etwas sagen?
Arnulf Schuchmann: Aus Wettbewerbsgründen ist das leider nicht möglich. Damit die BRB mit über 37 Millionen Fahrgästen pro Jahr auch weiterhin eine feste Größe im Eisenbahnverkehr Bayerns bleibt, muss sie sich immer wieder an Ausschreibungen beteiligen. Die Bestandsstrecken werden zwar für mehrere Jahre vergeben, aber danach können sich alle interessierten Unternehmen aus der Bahnbranche wieder bewerben. 2024 wurde das Oberland, das Herzstück der BRB, ausgeschrieben und wieder von der Bayerischen Regiobahn gewonnen. Zur Ausschreibung für das Netz Chiemgau-Inntal nur so viel: In Holzkirchen, dem Stammsitz der BRB, wird auf Hochtouren daran gearbeitet.
Wir stehen jedes Jahr vor neuen Herausforderungen, aber ohne uns steht Deutschland still.
Und welches Fazit ziehen Sie in Ihrem Rück- und Ausblick?
Arnulf Schuchmann: Wir stehen jedes Jahr vor neuen Herausforderungen, aber ohne uns steht Deutschland still. Das sieht man gut zu Streikzeiten. Und wer etwas für den Klimaschutz tun will, fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wann immer es möglich ist. Wünschenswert wäre, dass wir wieder mehr Planungssicherheit bekommen und uns wieder voll und ganz auf das konzentrieren können, was unsere eigentliche Aufgabe ist, nämlich unsere Fahrgäste sicher, pünktlich und komfortabel an ihr Ziel zu bringen.
Das zu schaffen, wird allerdings wohl auch 2025 nicht immer leicht werden, doch wir geben unser Bestes. Dafür arbeiten unsere Triebfahrzeugführenden und Kundenbetreuenden in unseren Zügen und im Hintergrund viele weitere Mitarbeitende in unseren Betriebswerken, in der Betriebsleitzentrale, der Ausbildung, der Verwaltung. Und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch an allen Feiertagen. Das sollten wir nicht vergessen.
Pressesprecherin, BRB