Gefühlt kommt es einem vielleicht so vor, als wären Züge regelmäßig verspätet unterwegs, wer sich aber genauer mit den Zahlen beschäftigt, sieht schnell, dass der Schienenpersonennahverkehr in Bayern sehr gute Pünktlichkeitswerte hat. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) erhebt diese ständig und veröffentlicht sie: Webseite. Im Jahr 2021, das sind die jüngsten Zahlen der BEG auf ihrer Webseite, lag der Durchschnitt bei über 92 Prozent. Auf viel befahrenen Strecken ist der Wert meist niedriger als auf weniger befahrenen. Das ist im Eisenbahnverkehr nicht anders als im Straßenverkehr.
Personen, Tiere und Gegenstände am und im Gleis: Sich schnell noch mit dem Fahrrad durch die geschlossene Halbschranke am Bahnübergang schlängeln, den Zug noch erwischen wollen und deshalb quer über die Gleise laufen, am Gleis spielen oder Selfies für Instagram machen, bei einem Stau mit dem Auto nicht mehr rechtzeitig den Bahnübergang räumen können, bevor der Zug heranfährt. Das sind Gründe, die – ohne Übertreibung – täglich dafür sorgen, dass sich Züge verspäten. Der Triebfahrzeugführende muss eine Bremsung einleiten, der Zug kommt zum Stehen, im schlimmsten Fall müssen Rettungsdienst und Feuerwehr zur Hilfeleistung kommen oder die Bundespolizei muss die Gegend absuchen, ob noch Personen im Gleisbereich unterwegs und gefährdet sind. Rehe oder Wildschweine laufen des Öfteren vor einen Zug, leider legen hin und wieder auch Personen Gegenstände auf die Gleise. Das alles führt ebenfalls zu Verzögerungen, und sollte es zur Kollision mit Tier oder Gegenstand kommen, muss der Triebfahrzeugführende erst einmal das Fahrzeug in Augenschein nehmen und prüfen, ob es noch fahrtüchtig ist.
Fahrzeugstörungen: So wie beim Auto ein Defekt am Motor dazu führen kann, dass nichts mehr geht und nur noch der Abschleppdienst hilft, so kann es auch beim Zug passieren, dass Mitarbeitende aus der Werkstatt vor Ort fahren und versuchen müssen, einen liegengebliebenen Zug wieder flott zu bekommen. Gelingt dies nicht, muss er mithilfe einer zweiten Lok abgeschleppt werden. Dann muss die Strecke schlimmstenfalls in dieser Zeit gesperrt werden, wenn der Zug nicht aus eigener Kraft weiterfahren kann.
Infrastrukturprobleme und Baumaßnahmen: Weichen, Schienen, Stellwerke, Oberleitungen – überall auf den Strecken kann es zu Störungen kommen. Manchmal aus Witterungsgründen, wenn beispielsweise ein Sturm einen Baum umwirft und der die Oberleitung herunterreißt, manchmal spielen Alter und Verschleiß von Anlagenteilen eine Rolle und sie müssen ausgetauscht werden. Dann kommt es im schlimmsten Fall zu Streckensperrungen, im weniger schlimmen Fall „nur“ zu Langsamfahrstellen. Letztere bedeuten, dass die Züge auf Teilstücken mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit unterwegs sind und wenn sich diese Stellen häufen oder mehrere Kilometer lang sind, können die Verspätungen nicht aufgeholt werden. Geplante Bauarbeiten können den Fahrplan ebenfalls durcheinanderwirbeln. Schienenersatzverkehr mit Bussen braucht auf den Straßen einfach länger als der Zug. Damit sind gewohnte Anschlüsse vielleicht nicht mehr erreichbar.
Besetzte Gleise: Eingleisige Strecken – nicht nur die, aber bei denen fällt es ins Gewicht – sind in Abschnitte aufgeteilt. In einem Abschnitt darf sich immer nur ein Zug befinden, damit es nicht zu Kollisionen kommt. Diese sogenannte Zugfolge kann zu Wartezeiten führen, bis ein Zug einem anderen hinterherfahren darf. Ist ein Zug auf einer eingleisigen Strecke verspätet, kommt es automatisch auch beim Gegenverkehr zu Verspätungen.
In Bahnhöfen, die über die Jahre den Zugverkehr kaum noch aufnehmen können, weil das Zugaufkommen immer höher wurde, kann auch die Einfahrt in den Bahnhof länger dauern als gewöhnlich, weil alle Gleise besetzt sind.
Personal(mangel):
Die Fahrdienstleitung (gehört zum Personal der DB Netz AG und nicht zum Personal der BRB oder eines anderen Eisenbahnverkehrsunternehmens) gibt die Strecke frei. Tut sie dies nicht, darf der Triebfahrzeugführende auch nicht losfahren. Personen im Gleis oder die Überholung durch einen ICE sind zwei Beispiele, weshalb die Fahrdienstleitung eine Streckenfreigabe verweigern kann.
Übrigens ist es auch schon vorgekommen, dass aus Personalmangel oder krankheitsbedingt ein/e Fahrdienstleiter*in fehlte, dann fährt auf der Strecke kein Zug mehr, solange kein Ersatz da ist. Und leider trifft uns alle der Arbeitskräftemangel hart. Die Schichtpläne sind trotz aller Anstrengungen, Personal zu bekommen, auf Kante genäht. Kommt dann noch eine plötzliche Erkrankung dazu, muss leider auch einmal ein Zug ausfallen – trotz aller Bemühungen, einen Ersatz zu finden.
Verhalten der Fahrgäste: An schönen Sommertagen sind viele Ausflügler unterwegs, auch größere Gruppen. Wollen alle bei der gleichen Tür einsteigen, dauert es lange, bis alle im Zug sind, deshalb immer gleichmäßig an allen Türen einsteigen, das hilft Zeit zu sparen. Auch viele Radfahrer führen zu Verspätungen. Bis sie alle im Zug sind, vergeht ebenfalls viel Zeit. Und dann gibt es noch Fahrgäste, deren Benehmen die Kundenbetreuer*innen dazu veranlasst, die Bundespolizei zu rufen. Dann heißt es am nächsten Bahnhof erst einmal die Sachlage zu klären, bevor es weitergeht. Auch das kann dauern.
Grenzkontrollen: Im Netz Chiemgau-Inntal gibt es noch eine Besonderheit, den grenzüberschreitenden Verkehr. Ist eine tolle Möglichkeit, mit der BRB bis nach Salzburg zu fahren (mit dem Deutschland-Ticket), aber die seit Jahren stattfindenden Grenzkontrollen in Freilassing führen regelmäßig zu Verspätungen. Die Bundespolizei prüft die Ausweise aller Fahrgäste und das dauert teilweise sehr lang.
Egal aus welchem Grund der Zug nicht pünktlich fährt, Fahrgäste brauchen schnelle Informationen. So schnell und so gut, wie möglich zu informieren, ist unser Ziel. Doch das ist gar nicht so einfach. Aber das ist eine andere Geschichte bzw. ein anderer Blog: Kommt mein Zug pünktlich
Seit Neuestem gibt es die Möglichkeit zur Anmeldung von Anschlusswünschen über MoBY, eine kostenlose Mobilitätsapp für ganz Bayern, wenn mal wieder eine Verspätung droht. Näheres ist hier zu finden: Mobilitätsplattform
Und nicht zuletzt haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fahrgastrechte geltend zu machen. Bei hohen Verspätungen können Sie eine finanzielle Entschädigung bekommen: Fahrgastrechte und Kundengarantien
Pressesprecherin, BRB