Was passiert, wenn etwas passiert?

Betrieb

Ein starker Sturm mit heftigen Windböen entwurzelt einen Baum an einer Bahnstrecke und der Triebfahrzeugführende kann seinen Zug trotz sofort eingeleiteter Schnellbremsung nicht mehr rechtzeitig vor dem Hindernis zum Stehen bringen. Der Baum knallt nicht nur auf die Gleise, sondern reißt auch gleich noch die Oberleitung der elektrifizierten Strecke herunter. Es wird langsam dunkel, draußen ist es kalt und der Streckenabschnitt liegt in unwegsamem Gelände. Was passiert, wenn so etwas passiert?

Dann wird eine Meldekette in Gang gesetzt, die genau festgelegt ist, geübt wird und leider auch erprobt ist, denn im Streckennetz der BRB, das weit über 800 Kilometer misst und in dem pro Jahr mehr als 13 Millionen Zugkilometer gefahren werden, sind ähnliche Ereignisse gar nicht so selten. Unwetter, unachtsame Personen, die irgendwo über das Gleis laufen, Autos, die sich am Bahnübergang noch schnell durchmogeln wollen – Beispiele gibt es viele, die den Einsatz des Notfallmanagements nötig machen. Oft sind die Schäden und Folgen klein, es kommt „nur“ zu Verspätungen, manchmal allerdings auch gewaltig, zum Teil tödlich. Mit dabei ist aufseiten der BRB der BNB, der Bereitschaftshabende im Notfallbezirk. Davon hat die BRB 28 und sie sind immer einsatzbereit, rund um die Uhr.

Wenn es schnell gehen muss, sind die BNB mit Blaulicht unterwegs. Wie sich das anfühlt und was zu beachten ist, kann am Simulator geübt werden.
Wenn es schnell gehen muss, sind die BNB mit Blaulicht unterwegs. Wie sich das anfühlt und was zu beachten ist, kann am Simulator geübt werden.

Im beruflichen Alltag sind sie Teamleiter von Triebfahrzeugführenden, kurz Tf genannt, oder Gruppenleiter oder Ausbilder, haben selbst alle einen Tf-Führerschein und kennen sich am und im Zug gut aus. Selbstverständlich sind sie speziell geschult, ihr Chef ist Franz Ebert, Örtlicher Betriebsleiter Notfallmanagement. Sein Team steht in Krisensituationen vor Ort dem DB-Notfallmanager zur Seite, wenn es um BRB-Fahrzeuge, BRB-Personal und die Fahrgäste in betroffenen BRB-Zügen geht. Streng genommen sind sie nur so lange für die Fahrgäste zuständig, wie sich diese im Zug aufhalten. Stehen sie am Bahnsteig, ist es nicht (mehr) Aufgabe der BRB, sich zu kümmern, denn für die Bahnhöfe und damit auch die Bahnsteige ist die DB InfraGO AG zuständig. Oftmals geht die Hilfe über diese strikte Trennung hinaus, denn alle helfen zusammen, wo es nötig ist, zum Wohle der Fahrgäste. Bei größeren Störungen, wie im Winter 2023/24, als tagelang nichts mehr ging, liegt es nicht im Zuständigkeitsbereich der BRB nachts für eine Unterbringung in Turnhallen, für Verpflegung oder dergleichen zu sorgen.

Hier kommt kein Zug so einfach durch. Ein Foto, das zeigt, wie witterungsabhängig der Zugverkehr sein kann.
Hier kommt kein Zug so einfach durch. Ein Foto, das zeigt, wie witterungsabhängig der Zugverkehr sein kann.

Wann kommen die BNB zum Einsatz?

  • bei Fahrzeugstörungen, die länger als 15 Minuten dauern und wenn sich der Zug gleichzeitig auf freier Strecke, also nicht an einem Bahnhalt, befindet
  • bei jeglichem Aufprall, egal ob Baum, Eisenstange, Auto oder Mensch
  • bei Signalverfehlungen, wenn also der Tf beispielsweise an einem Signal nicht zum Halten kommt, wegen schlechter Sicht oder rutschiger Schiene
  • bei Entgleisungen, denn dann muss immer aufgegleist werden, ein Zug kann nicht selbst wieder in die Gleise springen
  • und häufig zur Sicherung von Videos in den Zügen, die alle mit Kameras ausgestattet sind, für Ermittlungen der Bundespolizei

Während die DB-Notfallmanager als übergeordnete Instanz meist sehr schnell vor Ort sind, müssen unsere speziell ausgebildeten Fachleute, die auch jährliche Schulungen durchlaufen, innerhalb von zwei Stunden eintreffen. Zumindest, wenn es das Wetter zulässt. Bei Schneemassen wie im Winter 2023/24 kann es unter Umständen auch länger dauern. Das ist auch einer der Gründe, warum Fahrgäste oft längere Zeit im Zug warten müssen, bis jemand entscheiden kann, wie und ob der Zug weiterfahren kann oder geräumt wird. Letzteres bedeutet, dass die Fahrgäste nicht, wie gewöhnlich, an einem Bahnhalt aussteigen können, sondern auf freier Strecke aussteigen müssen. Die Unterschiede sind allerdings gewaltig. Wenn man Glück hat, steht ein Zug nicht in unwegsamem Gelände, sondern es kann nach Sicherung der Umgebung durch Feuerwehr, Bundespolizei, DB usw. mithilfe einer kleinen Rampe mit Treppenstufen oder ähnlichem der Zug verlassen werden und die Fahrgäste werden mit Bussen oder Taxis weitergefahren oder man kann in einen Zug umsteigen, der vorsichtig an die Stelle herangefahren wird.

Ohne Bahnsteig ist das Ein – und Aussteigen gar nicht so einfach. Hier kann eine Treppe helfen, die von der Feuerwehr angelegt wird, denn der Höhenunterschied ist auf freier Strecke groß.
Ohne Bahnsteig ist das Ein – und Aussteigen gar nicht so einfach. Hier kann eine Treppe helfen, die von der Feuerwehr angelegt wird, denn der Höhenunterschied ist auf freier Strecke groß.

Geht es allerdings im Gelände steil nach oben oder unten, wird es schon schwieriger. Dann müssen viel mehr Sicherungsmaßnahmen erfolgen, denn Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkungen oder mit Kinderwagen können dann nicht mehr so einfach aussteigen. Feuerwehrleute tragen dann auch Fahrgäste aus den Zügen, wen sie es aus eigener Kraft nicht schaffen. Schweres Gerät an den Unfallort zu bringen und in unwegsamem Gelände aufzubauen, das dauert auch seine Zeit und bedeutet Wartezeiten für die Fahrgäste und dann können auch auf eingleisigen Strecken die nachfolgenden Züge nicht fahren.

Und warum werden die Fahrgäste nicht sofort vollumfänglich informiert? Diese Frage stellen sich die Reisenden häufig und sie sind verärgert, wenn sich Rettungsmaßnahmen in die Länge ziehen und es immer wieder heißt, dass es noch dauert. „Das ist zwar verständlich“, erklärt BNB David Dietl, der Teamleiter Tf in den Netzen Chiemgau-Inntal und Berchtesgaden-Ruhpolding ist. „Aber anfangs ist nicht sofort abzusehen, wie lange eine Evakuierung dauern wird, ob man vielleicht den Zug wieder flottbekommt und er aus eigener Kraft in den nächsten Bahnhof fahren kann.“ Deshalb käme es den Fahrgästen manchmal so vor, als würde der Triebfahrzeugführende nur scheibchenweise informieren. „Wichtig ist uns, dass Fahrgäste wissen, was los ist, dass sie einen Ansprechpartner haben, und das sind in der Regel wir.“ Auch dann, wenn Strecken gesperrt sind und der BRB-Zug nur indirekt betroffen ist, weil beispielsweise ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit einem Zug der Verursacher ist oder weil an der Strecke ein Defekt eingetreten ist, steht die BRB in der Verantwortung für ihre Fahrgäste. Aus der Betriebsleitzentrale heraus werden Taxis und Busse organisiert, um Fahrgästen die Weiterfahrt zu ermöglichen. Doch wie bekommt man hunderte von Reisenden in Taxis und Busse? In einem überschaubaren Zeitraum leider gar nicht. Das ist einfach nicht möglich. Und bei der Personalknappheit allerorten ist es in den letzten Jahren nicht einfacher geworden, Busnotverkehre zu organisieren. Da telefonieren sich die Infodisponent*innen die Finger wund. Christian Friedrich, Teamleiter Tf im Netz Ostallgäu-Lechfeld und ebenfalls BNB: „Egal, was passiert ist, der sicherste Platz bei Schadensereignissen ist in den meisten Fällen der Zug, bis eine geordnete Evakuierung erfolgt. Auf freier Strecke aus dem Zug zu laufen, ohne dass vorher Sicherungsmaßnahmen erfolgt sind, sollte man niemals. Das kann tödlich enden.“ Eine noch nicht geerdete Oberleitung kann einen tödlichen Stromschlag erzeugen und auch die Rettungskräfte müssen warten, bis der Infrastrukturbetreiber, meist die DB InfraGO AG, die Sicherheit am und im Gleis geprüft und die Rettungsarbeiten freigegeben hat.

Feuerwehren üben den Einsatz im Ernstfall gerne vor Ort. Das gibt den einzelnen Feuerwehrmännern und -frauen Sicherheit.
Feuerwehren üben den Einsatz im Ernstfall gerne vor Ort. Das gibt den einzelnen Feuerwehrmännern und -frauen Sicherheit.

Der Einsatz der BNB ist oftmals hart. Nicht nur, dass sie zu allen Wetterbedingungen raus müssen, gerade eben auch bei Unwettern, und sich durch Wind und Wetter erst mit dem Einsatzfahrzeug und dann vielleicht noch zu Fuß in unwegsamem Gelände an die Unfallstelle vorkämpfen müssen, nein, sie sehen auch manches Mal schreckliche Dinge. Verletzte, Schwerverletzte oder Tote. Das müssen auch sie im Nachhinein erst einmal verarbeiten. Dabei helfen auch Kriseninterventionsteams, die bei schweren Unfällen angefordert werden. Sie stehen dem Fahrpersonal, den Fahrgästen und den Rettungskräften zur Seite. Wir haben einigen dieser Teams auch schon gespendet, denn ihre Arbeit ist äußert wertvoll und ehrenamtlich: www.brb.de/de/neuigkeiten/spendenschecks-fuer-thw-und-krisenintervention

Unser Geschäftsführer Arnulf Schuchmann hat dem Kriseninterventionsteam Weilheim-Schongau, den Kriseninterventionsdiensten Ostallgäu und Miesbach und dem THW Bad Aibling Ende 2021 jeweils einen Scheck in Höhe von 1.000 Euro überreicht.

Und was macht man mit Fahrgästen im Zug, der irgendwo festsitzt, die partout uneinsichtig sind, handgreiflich werden oder verbal ihrem Unmut freien Lauf lassen, um es höflich auszudrücken? „Da gibt es oft vernünftige Mitreisende, die denen mal ihre Meinung sagen und dann ist Ruhe oder wir rufen die Bundespolizei zu Hilfe, wenn es extrem wird“, erklärt David Dietl. Um Verständnis für die Situation bei den Fahrgästen zu werben, ist die Kommunikation wichtig. Sagt der Tf, was er weiß, dann hilft das schon. Dann fühlen sich die Fahrgäste mitgenommen. Ruhe bewahren, Zugpersonal und Einsatzkräften Folge leisten, das ist das Beste, was Fahrgäste tun können.

Egal, was passiert ist, der sicherste Platz bei Schadensereignissen ist in den meisten Fällen der Zug, bis eine geordnete Evakuierung erfolgt.
Christian Friedrich, Teamleiter Triefahrzeugführer im Netz Ostallgäu-Lechfeld

David Dietl, Christian Friedrich, Franz Ebert und ihre weiteren 25 BNB-Kollegen der BRB sind bei Einsätzen diejenigen, die sich besonders auch um das eigene Fahrpersonal kümmern. Gibt es Verletzte oder gar Tote, was zum Glück extrem selten vorkommt, weil die Sicherheit im Eisenbahnverkehr unglaublich hoch ist, dann kennen sie den Triebfahrzeugführenden, der vielleicht gerade Schreckliches erlebt hat. „Man merkt dann, wie der persönliche Kontakt dem Kollegen oder der Kollegin hilft“, erzählt Dietl. „Wenn sie ein bekanntes Gesicht sehen, fällt der Druck gleich ein wenig ab.“ Die Betreuung der Mitarbeitenden während solcher Ereignisse und auch danach, ist eine wichtige Aufgabe. Dafür sind nicht nur die BNB-Kolleg*innen zuständig, aber eben auch sie.

Eines gilt immer, damit man nicht selbst Opfer eines Unfalls wird, der auch tödlich ausgehen kann: Zug hat Vorfahrt! Dies versuchen wir immer wieder mit Aktionen live zu vermitteln. Wer einmal eine Schnellbremsung eines Zuges miterlebt hat, weiß wie lange es dauert, bis er zum Stehen kommt. Übrigens: Wer bei Vergehen erwischt wird, die einen gefährlichen Eingriff in den Zugbetrieb darstellen, muss für die Schäden finanziell aufkommen.

Hier findet man viele Informationen zum richtigen Verhalten im Gleisbereich und am Bahnsteig.

Schnell und ohne Umwege können wir über unsere Webseite informieren. Sonderfahrpläne stehen dort zum Download bereit, Fahrgäste können Newsletter mit individueller Streckenauswahl abonnieren. Auf Facebook informieren wir ebenfalls sehr schnell über Großstörungen.

Hier sieht man einen Film, der eine Schnellbremsung zeigt und in dem ein Triebfahrzeugführer im Interview einen Einblick gibt, was es heißt, einen Unfall nicht vermeiden zu können.

Annette Luckner

Annette Luckner

Pressesprecherin, BRB